Die Kirche in Reiskirchen

Das Gebäude

Die Kirche in Reiskirchen ist zweifelsohne das älteste Gebäude des Dorfes. Das Jahr ihrer ursprünglichen Erbauung ist unbekannt. Urkundlich erwähnt wurde sie erstmals im 12. Jahrhundert. Der frühere Name Reiskirchens „Richolfskirchen“ erlaubt eine Vermutung, dass sie ursprünglich von einem Mann namens Richolf erbaut wurde. Die Kirche trägt die Gebäudeadresse Hohlstraße 1.

Am 26. April 1706 überstand die Kirche mit einigen wenigen anderen Gebäuden einen verheerenden Brand, der fast ganz Reiskirchen in Schutt und Asche legte.

Der älteste Teil des Kirchengebäudes ist die Kapelle mit dem Glockenturm. Das später daneben gebaute zweistöckige Wohnhaus diente zunächst als Lehrerwohnung. Das Fachwerk trägt an der Ostseite die Inschrift: „Wahrlich ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“. Eine alte Aufnahme zeigt, dass sich darin auch eine Heizstelle befunden haben muss.

1652 wurde das Wohnhaus mit der Kapelle verbunden. Dies belegt eine Inschrift auf einem Balken, der das ehemalige Wohnhaus mit dem Kirchenschiff verbindet. Dieser wurde erst 1988 bei Renovierungsarbeiten freigelegt. Die Inschrift lautet: „Im Jahre 1652 am 10. März ist das Gebäude dieser Kirche unter Pastor Melchior Luzius aus Wetzlar, unter den Bauherren Philipp Kraft und Philipp Keul durch den Baumeister Wenzel Schwager errichtet worden“.

 

Die Glocken

Die große Glocke im Turm wurde, wie die Inschriften belegen, 1537 von Conrad Gobel (in der Ortschronik steht Göbel) in Frankfurt am Main gegossen und verrichtet demnach schon seit 465 Jahren ihren Dienst. Als Verzierung trägt sie zwei kleine runde Bilder mit biblischen Szenen: Judaskuss und Abnahme Jesu vom Kreuz.

Die zweite kleinere Glocke entstammte der Glockengießerei L. Rinker in Asslar (von 1596). Diese zersprang 1882 und wurde im selben Jahr von Georg Hamm in Kaiserslautern umgegossen. Sie trug folgende Inschrift: „753 Gott allein die Ehre“.

Während des ersten Weltkrieges wurde die kleine Glocke beschlagnahmt und 1920 durch eine neue Glocke ersetzt. Diese von F. W. Rincker in Sinn gegossene Glocke trug die Inschriften: „Verleih uns Frieden o Jesu“ und „Weil uns der Weltkrieg die Schwester genommen, bin ich an ihre Stelle gekommen“.

Im zweiten Weltkrieg musste auch diese Glocke wieder abgegeben werden. Die Kirche erhielt erst 1950 wieder eine neue kleine Glocke, die heute ihren Dienst tut. Sie entstammt ebenfalls der Glockengießerei Rincker in Sinn und trägt die Inschrift: „Mit deinem Klang sei Lob und Ehre Gott gebracht der Toten des Krieges sei auch in Treue gedacht“.

1962 erhielt die Kirche ein elektrisches Läutwerk.

 

Renovierung 1949

1949 wurde die Kirche grundlegend renoviert. Neben der Neueindeckung des Kirchendaches und des Turms wurde unter anderem ein neuer Westeingang mit Vordach errichtet. Des weiteren wurde eine Heizung in der Kirche installiert und die Männerbühne vergrößert.

Bis 1800 wurden alle in Reiskirchen tätigen Pfarrer in der Kirche beerdigt. Eine große rote Sandsteinplatte bedeckte das Grab vor dem Altar. 1949 entfernte man die Grabplatte, um einen neuen Steinbodenbelag zu legen. Es heißt: der gesamte Boden unter der Platte war so „mulmig“, dass man einen Stock bis zu zwei Meter tief hineinstecken konnte. Die Gebeine von vielen Pfarrern sind mit den Särgen dort vermodert.

 

Grabplatte / Gedenktafeln

Die rote Sandsteinplatte, die als Grabplatte diente, befindet sich heute in der Sakristei. Sie trägt eine Inschrift zum Gedenken an den hier tätigen Pfarrer Dünch (gestorben 1605): „Epitaphium des ehrwürdigen und wohlgelehrten G. Eberhard Diench Wormb. Pfarrher dieses Ortes XLV (45) Jahr, seines Alters im LXX (70), welcher im Herrn entschlafen, den 14. März anno MDCV (1605). Ich bin aus ehrlichem Stamm geboren, auch ein Kind Gottes auserkoren, besprengt mit Jesu Christi Blut, im Glauben fass’ ich dieses Gut. In Angst bracht ich mein Leben, nun schlaf’ ich hier in Fried’ und Ruh’, hoffend auf ein besseres Leben, welches aus Gnad’ o Gott, woll’s geben. Amen“.

Weiterhin befindet sich im hinteren Altarraum eine Gedenktafeln des Pfarrers Rüdinger (gestorben am 5. Oktober 1712) mit der Inschrift: „Steh hier still, oh Wandersmann! Les zuvor auf diesem Plan, wer sei in dies Grab getan. Der in seines Lebens Zelt war getreten in die Welt, da man schrieb dies 1630te Jahr, als ein Sünder geboren war. Saarbrück war sein Vaterland, Casimir Rüdinger genannt. Gottes Wort hat er gelehrt, treulich die ihm zugehört, Reiskirch, Gleiberg und Dorlar er gelehrt hat 50 Jahr. Da er dann während dieser Zeit zwei Ehegatten hat gefreit. Die erste hieß Macrandrin, sie lebte fromm nach seinem Sinn. Mit der er elf Kinder zeugt, die sie an ihrer Brust geseugt. Die zweite hieß Saverin, lebte auch nach seinem Sinn, blieb ihm Frau bis an sein End.“

und eine Gedenktafel des Pfarrers Geiler (gestorben 1730) mit der Inschrift: „Bis zur Stunde der letzten Posaune, ruhen allhier die Gebeine des Weyland wohlehrwürdigen und gelehrten Herrn Philipp Peter Geiler, welcher anno 1647 zu Weilburg geboren von seinen lieben Eltern Herrn Johannes Theoph. Geiler vornehmen Handelsmannes daselben und Anna Ursula, einer geborenen Weinreichin, zum heiligen Predigtamt erzogen, auch anno 1673 in dasselbige zu Cubach eingesetzt, woselbst er 40 Jahre gestanden, darunter er 5 Jahre als Feldprediger in Brabant und Elsaß gedient. Hierauf anno 1713 hierher nach Reiskirchen als Pfarrer berufen, wobei er anno 1714 in die heilige Ehe getreten mit Maria Katharina des Weyland hochselben und hochgelehrten Herrn Michael Caspari gewesenen Regierungsrat zu Weilburg eheliche Tochter, mit welcher er elf Kinder erzeuget, davon 5 lebendig verlassen und ist hierauf anno 1730 hierselbst im 83. seines Alters, Predigtamts 57 und Ehestandes 56 Jahr selig entschlafen und vor dem Altar begraben worden. Leichentext: Hebr. 13, Vers 7.“

 

Renovierungen 1978 / 1979 und 1988

Im Rahmen von umfangreichen Renovierungsarbeiten in den Jahren 1978 und 1979 wurde das Kirchendach des ehemaligen Wohnhauses und der Glockenturm neu geschiefert. Im oberen Teil des Turmes mussten die Balken ausgetauscht werden.

In diesem Zuge wurde auf der Kirchturmspitze auch ein neuer Posaunenengel, der übrigens einen für unsere Gegend eher untypischen Kirchturmschmuck darstellt, angebracht. Er wurde getreu nach der Vorlage des alten stark verwitterten Engels hergestellt. 1988 wurde dann auch das Dach des Kirchenschiffes mit spanischem Schiefer neu eingedeckt. Der Posaunenengel und das Ziffernblatt der Kirchturmuhr wurden vergoldet. Die Kirche erhielt durch das Freilegen des Fachwerkes und der Bruchsteinmauer des ehemaligen Wohnhauses ihr heutiges Antlitz.

Bei den Renovierungsarbeiten in den Jahren 1978 und 1979 wurden die Seitenwände und die Decke des Kirchenschiffes innen neu verputzt. Den ehemaligen Kohlenkeller neben der Kirche baute man zur Sakristei um. Dazu musste eine Verbindungstür zur Kirche gebrochen werden.

 

Das Taufbecken / Die Abendmahl- und Taufgeräte

Das alte Taufbecken erfüllt seit 1979 wieder seinen ursprünglichen Zweck, nachdem es zeitweise als Blumenkübel vor der Kirche und davor sogar als Ententeich neben dem alten Pfarrhaus genutzt wurde. Der Aufsatz aus Metall zum Abstellen des Taufkruges wurde ebenfalls in diesem Jahr gefertigt.

Auch die alten Abendmahl- und Taufgeräte, die lange Zeit im Pfarrhaus aufbewahrt wurden, stehen heute wieder in der Kirche.

 

Die Orgel

Die Orgel ist 1817 in Melbach (Wetterau) als gebrauchte Orgel gekauft worden. An ihr sind die Jahreszahlen 1779 und 1781 zu lesen. Am 31.10.1817 (Reformationstag) war in der Kirche erstmals Orgelspiel zu hören.

Das angehängte Pedal ist später von dem Orgelbauer Eichhorn aus Weilmünster angebracht worden.

In den Jahren 1978 bis 1979 wurde die Orgel komplett abgebaut, restauriert und wieder neu aufgebaut. Sie erhielt weiterhin einen neuen Motor zur Betätigung des Blasebalgs. Oberhalb der Orgel musste eine neue Decke eingezogen werden, da die tragenden Balken bereits gebrochen waren.

 

Der Kirchhof

An der Kirchhofsmauer zur Niederwetzer Straße (Kirchgasse) steht in einen Stein gehauen die Jahreszahl „anno 1614“. In diesem Jahr ist wahrscheinlich die Kirchhofmauer errichtet worden.

Möglicherweise war der Stein auch Teil des sogenannten Narrenhäuschens, das zu früherer Zeit eine Art Haftzelle darstellte. Es war ein gewölbtes Häuschen mit einer Kette und einem Halseisen darin und wurde, nachdem es lange Zeit schon nicht mehr seinen Zweck erfüllte, 1830 abgerissen.

Der Kirchhof diente bis 1909 auch als Friedhof.

Vor einigen Jahrzehnten standen am Eingang des Kirchhofs (Kirchgasse) zwei Lindenbäume, die im Jahre 1880 gesetzt wurden. Ein starkes Unwetter ließ 1981 eine der Linden umstürzen, wobei das Kirchendach beschädigt wurde. Die zweite Linde wurde im Jahr darauf ebenfalls gefällt.

Die Gedenktafel zur 1000-Jahr-Feier Reiskirchens wurde 1975 an der Mauer des Kirchweges angebracht. Der Kirchweg selbst erhielt 1988 einen neuen Belag aus Natursteinpflaster.

 

Das Denkmal

Das vor der Kirche stehende Kriegerdenkmal wurde 1920 aufgestellt. Es wurde von dem Bildhauer W. Götze aus Darmstadt hergestellt und kostete damals aufgrund der fortschreitenden Inflation 1.800.000 Mark.

Eingeweiht wurde es am ersten Pfingstfeiertag (20. Mai 1920). 

Das Denkmal erinnert heute an die in den Kriegen 1866 und 1870-1871 sowie in den Weltkriegen 1914-1918 und 1939-1945 gefallenen und vermissten Soldaten.

 

Auf eine weitere ausführliche Beschreibung der Kirche in Reiskirchen bei Wikipedia wird hingewiesen.